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Über 1500 Teilnehmer bei Pforzheim nazifrei

Bild: OB Gert Hager bei seiner Ansprache auf dem Marktplatz (Foto: Neff)

OB Gert Hager bei seiner Ansprache auf dem Marktplatz (Foto: Neff)

Über 1500 Menschen aller Bevökerungsschichten versammelten sich am Abend des 23.02. 2012 auf dem Pforzheimer Marktplatz, um gegen die alljährliche Nazimahnwache auf dem Wartberg und den rechten Terror zu demonstrieren. Nachfolgend die Rede des Pforzheimer OB Gert Hager:


Rede zur Kundgebung am 23.Februar 2012
Oberbürgermeister Gert Hager


Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt !
Warum stehen wir hier ??? Heute sind wir zusammengekommen, um ein klares Zeichen zu setzen gegen diejenigen, die oben am Wartberg stehen. Die dort stehen – mit Fackeln, welche die Gerichte gegen unseren Willen erlaubt haben, um angeblich der Toten des Luftangriffs auf Pforzheim zu gedenken.
Tun Sie das wirklich ? Nein, sie trauern nicht wirklich wie es viele in Pforzheim heute tun.
Viele von denen kommen von irgendwoher angereist – und was tun sie ? Sie missbrauchen das Gedenken an die Toten des 23.Februar 1945 – Einheimische, Zwangsarbeiter, Soldaten, Gefangene – sie missbrauchen sie für ihre kruden ideologischen Phantasien. Das wollen wir nicht und schon gar nicht in unserer Stadt Pforzheim. Diese Stadt hat mit ihrer fast vollständigen Zerstörung einen sehr hohen Preis bezahlt für den Krieg und den unmenschlichen Vernichtungswahn eines nationalsozialistischen Deutschlands. Eine menschenverachtende Maschinerie hat das sogenannte „Dritte Reich“ in Gang gesetzt und in einer perversen Tötungslogik am Laufen gehalten. Und weil das so war und heute unumstößlich feststeht darf es nicht sein, dass von Rechtsextremisten und Neonazis grausame deutsche Geschichte umgeschrieben wird. Das kann nicht sein, das darf nicht sein – nicht in Pforzheim, nicht in unserer Stadt. Und wenn dann Neonazis – wie jüngst in Dresden am dortigen Gedenktag der Zerstörung – von einem „Bomben-Holocaust“ phantasieren, dann kommt dies einer Schändung aller Opfer des Nationalsozialismus gleich: der Millionen von Mitbürger jüdischen Glaubens, der ermordeten Homosexuellen, der Menschen mit Behinderungen, der Sinti und Roma, der Zwangsarbeiter, der gefallenen Soldaten und Zivilisten auf allen Seiten.
Sie alle wollten nur eines: leben und zwar in Frieden. Leben mit ihren Familien und Freunden. Das nationalsozialistische Deutschland hat ihnen dazu jede Chance genommen. Jede !!
Deshalb bin ich froh und dankbar, dass Sie alle heute abend hierher gekommen sind. Hierher auf den Marktplatz, das Herz unserer Stadt. Und dies ungeachtet aller Querelen, welche es im Vorfeld dieses 23.Februar gab. Ich bin tief beeindruckend von der breiten gesellschaftlichen Unterstützung, die unser Kampf gegen die Mahnwache in den letzten Wochen erfahren hat. Gemeinderatsfraktionen, Kirchen, Israelitische Kultusgemeinde, das Bürgermeisteramt, vor allem aber Sie, Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, zeigen, dass diese Stadt den unbedingten Willen hat, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Denn eines ist klar: mit dieser Zusammenkunft sagen wir denen, die dort oben stehen: „Euch wollen wir nicht haben, nicht hier, und schon gar nicht an unserem Gedenktag der Zerstörung unserer Stadt.“ Und unser Bündnis wird weiter wachsen. Heute: das ist erst der Anfang. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir schon im kommenden Jahr die Basis unseres Bündnisses noch breiter und tiefer in unserer Stadtgesellschaft verankert haben. Unsere Stimme wird lauter werden.
Hört zu, ihr Bürger: wir wollen eine weltoffene Stadt sein. Eine weltoffene Stadt, in der jeder der hier bei und mit uns lebt, wichtig ist. Eine Stadt, in der nicht gefragt wird, wo kommst Du her oder gar warum hast Du eine andere Hautfarbe. Das darf es in unserem Pforzheim nicht geben – heute nicht und in Zukunft nicht. Wir müssen dahin kommen, dass sich jede und jeder hier fragt, was kann ich für unsere Stadt tun. Das und nichts anderes muss zählen jetzt und in Zukunft !
Hört zu, ihr Bürger: mit der heutigen Kundgebung wird es nicht getan sein. Wir müssen weiter daran arbeiten, gemeinsam und zusammen zu stehen gegen diese Rechtsextremisten und Neonazis – denn nur diese Sprache verstehen sie !
Wir müssen zusammen diese Aussage treffen; ich glaube der Weg dorthin ist nicht mehr weit.
Wenn wir alle guten Willens sind wird uns das schon im nächsten Jahr gelingen !
Viele Städte haben dieses Problem: das Problem des Missbrauchs ihrer stillen Trauer, des Missbrauchs ihres Gedenkens an die Opfer des Krieges durch ideologisch verblendete Rechtsextremisten und Neonazis. Bisher kämpft jede Stadt für sich gegen diesen braun gefärbten Gedankensumpf. Keine Stadt weis so richtig, was woanders passiert. Deshalb habe ich bei einer Podiumsdiskussion vor wenigen Tagen in der Dresdner Frauenkirche einen Vorschlag gemacht: diese Städte sollen sich im Kampf gegen Geschichtsverfälschung und pervertierten Missbrauch durch Rechtsextreme und Neonazis zusammenschließen und gemeinsam gegen diese vorgehen. Denn so kann und darf es nicht weitergehen – nicht in Dresden, nicht in Dortmund, nicht in Pforzheim ! Lasst uns dies von Pforzheim aus beginnen !
Hört zu, ihr Bürger: Mut, Toleranz und Respekt vor dem anderen. Wenn wir alle dies in unserem Pforzheim unter Beweis stellen – jeder für sich und jeden Tag – dann bekommen wir eine zukunftsfähige Stadt, wo solcher Missbrauch keine Chance hat, wo die Bürgerschaft immun ist gegen solch krankhafte Wahnvorstellungen !
Und es ist eben nicht so, dass sich jetzt alle wieder ein Jahr zurücklehnen können - nein wir müssen weiter arbeiten, auf dass wir dieses braune Gedankengut dauerhaft aus unserer Stadt hinaustreiben. Und bedenken Sie eines: es reicht nicht zu sagen, „die da oben sollen sich darum kümmern“ oder „da sollen doch die anderen mal damit anfangen“. Nein, jeder ist gefragt, jeder kann und muss dazu etwas beitragen: am Arbeitsplatz, im Sportverein, am Stammtisch ! Mut, Toleranz und Respekt vor dem anderen – das heißt für andere eintreten, sich schützend vor jemanden hinstellen, der angegriffen wird; ganz gleich ob dieser Angriff durch Worte oder gar mit Fäusten erfolgt. Hinsehen, nicht wegsehen – das folgt daraus, Bürgerinnen und Bürger.
Handeln wir alle danach – jetzt, heute und morgen !
So wie es Martin Luther King in seiner berühmten Rede im August 1963 ausgedrückt hat, so müssen wir auch handeln: sein Traum war es, dass eines Tages in den USA die Zeit kommen möge, wo es egal ist ob ein Kind eine schwarze oder eine weiße Hautfarbe hat. Sein Traum war es, dass alle Menschen Arbeit bekommen sollten und vor allem dass eines für alle Menschen gegeben ist: ihre Würde ! Nun, heute rund 50 Jahre später, haben wir den ersten schwarzen US-Präsidenten im Weißen Haus. Und dennoch ist in den USA wie auch bei uns noch viel zu tun, um den Traum einer gleichberechtigten Gesellschaft zu verwirklichen.
Aber wir können beginnen – hier bei uns, hier und jetzt. Es darf bei uns keine Rolle spielen, wo jemand her kommt; jeder und jede sollte nach seinem Potential Bildung erfahren und eine Ausbildung bekommen. Das, was uns die Rechtsextremisten und Neonazis – auch dort oben - als Botschaft mitgeben wollen, ist das krasse Gegenteil. Mit plumpen Parolen hetzen Neonazis in Deutschland gegen Mitbürger ausländischer Herkunft. Stellen wir uns schützend vor Sie und erteilen solch dumpfem Blödsinn eine klare Absage. Wir wollen das nicht haben in unserer Stadt und wir dürfen das auch in ganz Deutschland nicht haben.
Bei der Kundgebung gegen die Neonazis vor wenigen Tagen in Dresden hat mich eines völlig entsetzt: die NPD bezieht demnach – da leider inzwischen in einigen Landtagen vertreten – rund ein Viertel ihrer Einnahmen aus Steuergeldern. Das ist doch ein Skandal, das kann doch nicht wahr sein !!
Hier muss auf Bundesebene dringend etwas geschehen.
Lassen wir es uns nicht gefallen, dass diese Rechtsextremisten und Neonazis unseren Gedenktag so missbrauchen. Wenn wir schon zähneknirschend akzeptieren müssen, dass sie dort oben stehen dürfen, so lasst Ihnen eine klare Botschaft zukommen: „ So geht es nicht ! Achtet die Toten unserer Stadt – wir wollen euch nicht mit euren dumpfsinnigen Parolen in unserem Pforzheim. Wir wollen den braunen Sumpf nicht haben !“
Hört zu, ihr Bürger: zeigen wir denen, dass wir eine moderne Stadt sind; zeigen wir ihnen, dass wir hier gleichberechtigt miteinander leben wollen und gemeinsam unsere Stadt für die Zukunft bauen.
Beginnen wir damit jetzt an dieser Stelle, hier und jetzt.
Sagen wir denen klipp und klar: mit euch nicht, heute nicht und in den nächsten Jahren erst recht nicht !
Wenn wir hart daran arbeiten, liebe Bürgerinnen und Bürger – dann werden wir auch Erfolg haben.
Tun wir es !!!

23.02.2012

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